19. Januar 2012

Die Magie des Augenblicks...


Schau mal... da ist er wieder... sagte Ulli zur Britta und deutete mit einer bedächtigen Kopfbewegung zum Nachbartisch gegenüber, Britta folgte ihrem Blick... und tatsächlich... es war der sympathische Unbekannte, den sie seit ein Paar Wochen immer wieder hier, in ihrer Stammkneipe sah. Meine Güte, sah er heute wider gut aus! So eine tolle Ausstrahlung... ihm müssen doch die Frauen in Scharen hinterher laufen... Britta hat keine Ahnung, ob sie wohl auch eine Chance bei ihm hätte...? Je öfter sie ihn hier sah umso mehr gefiel er ihr. Aber ihn mal ansprechen...? Niemals... das würde sie sich nicht trauen. Wer bekommt schon gerne eine Abfuhr? Nein, danke, lieber nicht.

Einige Male hatten sie sogar schon Blickkontakt. Seine Augen leuchteten jedes Mal, während er Britta kurz zulächelte. Tja, aber mehr auch nicht. LEIDER. Am liebsten würde Britta ihn anmachen. Aber sie kann das nicht. Sie ist nicht so cool drauf, sie weiß, sie würde sich schrecklich blamieren. Wieso macht er nicht den ersten Schritt? – dachte Britta frustriert. Er muss doch auch bemerkt haben, dass sie ihm gegenüber nicht abgeneigt wäre. Sie hat ihm doch schon so oft ihr schönstes Lächeln geschenkt. Reicht das nicht? Britta wünschte, sie könnte den Unbekannten hypnotisieren und ihm mehr Mut suggerieren. Allerdings sollte sie aufpassen, dass nicht sie selbst diejenige sein würde, die seiner Hypnose erliegt, wenn es so weitergeht.

Na ja, wie auch immer... kommt Zeit, kommt Rat – hat ihre Großmutter immer gesagt. Na toll! Jetzt kommt auch noch die Oma ins Spiel! Sie muss aus ihrer Gedankenwelt ganz schnell verschwinden. Sie passt so gar nicht  in dieses Ambiente... und überhaupt! Mensch Britta, jetzt reiß dich am Riemen! Der fesche Unbekannte scheint sich mit dem Barkeeper recht gut zu verstehen...! Schön für ihn! Wer weiß, vielleicht ist er auch schwul. Na ja, jeder wie er glaubt...passt eh alles... jawohl... alles bestens...!
<Du bist aber nicht sehr gesprächig heute> sagte Ulli plötzlich.
<Alles OK bei dir, Britta? Oder sollte ich mir Sorgen machen?>
<Nein, nein... alles klar... es ist nur... ach, ich weiß selbst nicht so genau... irgendwie ödet mich alles so an... ich bin so energielos...> raunt Britta ihrer Freundin zu.
<Ach wenn nur das ist, dann habe ich eine gute Nachricht für dich! Es ist nichts Schlimmes, dir fehlt nichts. Oh doch! Das Einzige, was dir fehlt, ist ein netter Kerl, der sich in dich verliebt! Na, was sagst du zu meiner Diagnose?> Ulli schaut Britta schmunzelnd an, so dass schließlich auch Britta grinsen muss.
<Habe ich vielleicht einen Stempelabdruck auf meiner Stirn, oder wie hast du mich bloß so gut durchschaut, du Hexe!>


Irgendwann brachen die zwei Freundinnen auf um nach Hause zu gehen. Schließlich erwartete beide ein stressiger Arbeitstag in einigen Stunden. Britte hatte sich vor zwei Jahren mit einem kleinen Versicherungsbüro selbständig gemacht, Ulli arbeitete in einer Hausverwaltung. Die beiden waren früher Arbeitskolleginnen, bis Britta sich zu dem Schritt – ihr eigener Herr zu werden – entschieden hatte. Für das Versicherungswesen hat sich Britta immer schon interessiert, zumal sie auch in der Hausverwaltung öfters mit Versicherungen zu tun hatte. So kam ihr die Idee der Gründung des eigenen Versicherungsbüros. Um  ihre Pläne in die Tat umzusetzen benötigte sie allerdings noch einige Kurse und Fortbildungen. Motiviert meldete sie sich bei relevanten Seminaren und Schulungen an. Durch die Hausverwaltung hatte sie zu vielen Kunden einen guten Draht – ihr Engagement und ihre Zuverlässigkeit wurden immer sehr geschätzt. So konnte Britta mit Recht auf gute Weiterempfehlungen durch  diese Kunden hoffen. Auch kannte sie einige Vermieter durch ihre Arbeit, die entweder selbst Büroräume vermietet hatten oder andere Besitzer diesbezüglich kannten. Die Basis war also geschaffen, Britta brauchte nur mehr ihr Fachwissen zu vertiefen um ihr eigenes Büro zu eröffnen.

Wenn sie sich heute zurückerinnert, kann sie es selbst kaum fassen, wie schnell die Zeit des Lernens und sonstiger Vorbereitungen verging. Seit zwei Jahren ist sie nun als Selbständige tätig und bis jetzt hat sie diesen (mutigen?) Schritt nicht bereut. Es war schon damals, als sie mit der Abitur fertig war, ihr Traum, eines Tages in einem eigenen Büro zu arbeiten. Für die jahrelange Mitarbeit in der Hausverwaltung war sie sehr dankbar, denn sie konnte viele Erfahrungen sammeln. Sie wusste, was sie konnte und sie glaubte ganz fest daran, dass sie eines Tages ihr Vorhaben verwirklichen kann. Als sie ihren Job kündigte, bekam sie von jeder Seite Hilfe angeboten. Von ihren Arbeitskollegen, von ihrem Chef und von einigen Kunden, die von ihren Plänen Bescheid wussten. All dies hat Britta noch mehr in ihrer Zuversicht gestärkt – sie hatte ein gutes (Bauch)gefühl. Ihr kleines Büro bekam sie durch eines ihrer ehemaligen Kunden vermittelt. Im Haus, wo sie ihre Wohnung hatte, kannte sie einen Nachbar, der einen Kleintransporter besaß – er half ihr bei dem Möbeltransport und beim Einrichten des Büros. So kam es dass Britta nach relativ kurzer Zeit mit ihrer Tätigkeit als selbständige Versicherungskauffrau beginnen konnte.

Mit Ulli, ihrer ehemaligen Arbeitskollegin blieb sie natürlich weiterhin in Kontakt – sie wurde Brittas beste Freundin. Sie verstanden sich sehr gut, sie lagen auf derselben Wellenlänge – nicht nur damals in der Hausverwaltung. Ulli bewunderte Britta insgeheim, weil sie eine starke Persönlichkeit und Durchsetzungsvermögen besaß. Davon hatte sie wiederum zu wenig. So oft es ging, trafen sich die beiden um sich über aktuelle Ereignisse sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich auszutauschen. Sie gingen immer wieder gerne in ihre Stammkneipe, wo sie von deren Besitzer jedes Mal warmherzig begrüßt wurden. Er nahm sich auch immer Zeit, mit Britta und Ulli kurz zu plaudern.

So wie auch an dem Abend, als Ulli den feschen Unbekannten – der Britta so gut gefiel – wieder einmal an der Bar entdeckte. Sie hatte Britta auch angeboten, den Kneipenbesitzer mal zu fragen, ob er ihn vielleicht kennen würde.
<Schlag´dir das ja aus dem Kopf, Ulli! – ich will das nicht!> wehrte Britta ab.
<Auf keinen Fall möchte ich mich vor dem Besitzer lächerlich machen, hörst du? Man kann sowieso nichts erzwingen – es wird schon kommen was kommen muss – oder auch nicht. Lass es bleiben... und wehe dir, wenn du hinter meinem Rücken etwas ausheckst...!> antwortete Britta energisch.
<Keine Angst, ich werde schon nichts unternehmen... es war bloß ein Vorschlag, nicht mehr und nicht weniger> meinte Ulli.
Als sie das geklärt hatten, brachen die beiden auf. Der sympathische Fremde saß noch immer an der Bar – er schien in seinen Gedanken versunken zu sein. Britta hoffte insgeheim, dass er merken würde, dass sie gehen wollen und dass er ihnen nachginge. Aber nein... LEIDER. Nachdem Britta noch versucht hatte mit Ulli direkt vor der Kneipe ein kurzes Gespräch zu führen – um dem Unbekannten noch eine letzte Chance zu geben – musste sie schließlich einsehen, dass ihr Wunsch wohl nicht so schnell in Erfüllung gehen würde. Vielleicht war er in Wirklichkeit genauso schüchtern wie sie selbst und hatte auch Bedenken von ihr einen Korb zu bekommen. Na ja, wie auch immer – vielleicht sollte es einfach nicht sein, weil etwas Besseres auf sie wartet.

Aber der fesche Unbekannte ging Britta nicht mehr aus dem Kopf. Sie musste jeden Tag an ihn denken. Sie war jedes Mal nervös und aufgeregt, wenn sie mit Ulli in der Stammkneipe verabredet war. Und jedes Mal war sie enttäuscht, wenn der Fremde nicht an der Bar saß. Na ja, das Leben geht weiter – auch ohne ihn, dachte Britta bei sich. LEIDER.

Gute vier Wochen später hatte sie einen Termin bei einem Kunden, der seine Lebensversicherung modifizieren wollte und auch noch an dem Abschluss einer privaten Krankenversicherung interessiert war. Britta bereitete sich sorgfältig auf das Gespräch vor, sie stellte alle relevanten Unterlagen zusammen. So war sie für alle eventuellen Fragen gut gewappnet. Im Geiste sah sie die Unterschrift des Kunden bereits auf den ausgedruckten Verträgen, die sie natürlich auch dabei haben würde, falls der Kunde sich gleich entscheiden sollte. Dynamisch und Erfolgsbewusst verließ Britta ihr Büro rechtzeitig um ja pünktlich zu sein. Bei dem Verkehr durch die Altstadt weiß man nie so genau, wie lange man im Stau stehen muss. Geschafft! Jetzt braucht sie nur noch einen Parkplatz – ach, da vorne ist doch ein Parkhaus, freute sich Britta, als alles so glatt ging. Der Kundentermin ist sehr viel versprechend gelaufen, sie wurde gebeten in zwei Tagen wieder vorbeizukommen um die Verträge mit den Unterschriften abzuholen. Na also – geht doch!

Euphorisch ging Britta ins Parkhaus wo sie ihr Auto stehen ließ. Sie hatte irgendwie gar keine Lust nach Hause zu fahren. Sie wollte noch etwas zu Feier des Tages unternehmen. Als erstes rief sie Ulli an, aber sie konnte aus dem Büro noch nicht weg, sie hatte viel zu tun. Nachdem Ulli noch in der Hausverwaltung fest saß, beschloss Britta kurzerhand in das große, am Stadtrand gelegene Einkaufszentrum zu fahren um sich mal nach dem letzten Schrei in den Schuhgeschäften Ausschau zu halten. Tja... Frauen und Schuhe... sie hatte genug Schuhe  daheim, aber jedes Mal wurde sie schwach, wenn sie in den Schuhladen hineinging. Na ja, egal – von Schuhen kann Frau sowieso nie genug haben. Punkt.

Kurze Zeit später befand sich Britta wieder auf einem Parkplatz – allerdings auf dem  Shopping Center-Gelände. Es war alles ziemlich voll geparkt – haben heute Alle Frühschluss, oder wie...? Ursprünglich hoffte sie auf nur ein halb volles Einkaufszentrum mit einem entspannten Shoppingerlebnis. Britta seufzte kurz... sie ließ sich von ihrem Vorhaben trotzdem nicht abhalten und ging hinein, nachdem sie endlich einen Parkplatz ergatterte. Sie schlenderte los, ohne ein besonderes Ziel zu haben und wünschte sich, dass auch ihre Freundin Ulli Zeit gehabt hätte. Unterwegs gönnte sie sich einen Cappuccino – das gehört einfach dazu, bevor Frau die Shoppingtour erschöpft fortsetzt. Hunderte Menschen gingen an ihr vorbei, ohne, dass sie ein Bekanntes Gesicht entdeckt hätte. Tja... so ist es eben in der Großstadt...  aber wegziehen – gar in ländliche Verhältnisse – nein, das konnte sich Britta bei bestem Willen nicht vorstellen. Sie ist eben ein Stadtmensch. Punkt.

Nach zwei Stunden und drei Hochglanztüten später (zwei Paar Schuhe und ein taubengrauer Hosenanzug – für ihre Kundentermine!) machte sich Britta auf den Weg zum Parkplatz. Ojjeee.. das würde noch eine Weile dauern, bis sie bei ihrem Auto ankommen würde, zumal sie sich am anderen Ende des Einkaufszentrums befand, das aus einem riesigen Gebäudekomplex bestand. Nachdem sie ihren Wagen wieder fand (!) fuhr sie langsam vom Parkplatz und fädelte sich in den recht starken Abendverkehr ein. Sie war bereits wieder in der Altstadt – da musste sie leider durch, es half nichts – wo es logischerweise um diese Zeit Stop-and-Go-Verkehr herrschte – wie auch heute Abend. Das machte Britta nervös, sie hoffte nur, dass die Person, die hinter ihr fuhr, genauso vorsichtig und langsam wie sie unterwegs war, ohne sich ablenken zu lassen. Einen Auffahrunfall konnte sie bestimmt nicht gebrauchen, jetzt gerade, wo sie von ihrer Shoppingtour so müde geworden ist. Aber schön war es trotzdem – und die neuen Schuhe... die sehen echt toll aus...!

Noch in den letzten Gedankenzügen betreffend ihre neuen Schuhe hört Britta plötzlich ein fürchterliches Krachen. Oh Gott... nein, bitte nicht... Ihr Fuß bleibt auf der Bremse buchstäblich kleben. Kurz darauf merkt sie erst, dass ihrem Auto gar nichts passiert ist. Es hat vor ihr gekracht. Der Wagen, der vor ihr fuhr, hatte den Auffahrunfall verursacht. Das hat ihr noch gefehlt. Jetzt würde es noch länger dauern, bis sie aus diesem Stau rauskommt. Die Straßen in der Altstadt waren viel zu eng, um vorbeifahren zu können. Britta konnte nur hoffen, dass die „Zusammengekrachten“ die Sache schnell klären und den Verkehr nicht all zu lange aufhalten würden. Die Ersten haben auch schon begonnen zu hupen... na toll! Britta richtete ihren Blick angestrengt nach vorne um die Sache zu beobachten. Fast gleichzeitig stiegen zwei Männer aus den Autos, die in dem Unfall verwickelt waren um den Schaden zu begutachten. Als sie sich zwischen den Stoßstangen hinunterbeugen leuchten die Scheinwerfer in ihre Gesichter.

Ach neeeee.... das gibt´s doch nicht.... nicht wirklich... oder... stottert Britta in Gedanken. 
Das ist doch .... der... das ist doch... dieser... neee... das glaub ich jetzt nicht....
Britta verdreht ihren Kopf zum Seitenfenster als hätte sie ein Gespenst gesehen. Sie zählt bis zehn, bevor sie wieder vorwärts blickt. Aber es hat sich nichts verändert. Einer der Männer ist tatsächlich der sympathische Unbekannte aus ihrer Stammkneipe! Na so ein Zufall aber auch! Und das er schon wider so verdammt gut aussehen muss – die kurz geschnittenen Haare fallen ihm in die Stirn, aber er macht trotz des Unfalls einen ruhigen Eindruck auf Britta. Keine Spur vom Brüllen, Schimpfen oder Ähnlichem, wie es ja bei den Herren der Schöpfung in solch einer Situation oftmals der Fall ist. Nein, er bleibt cool. Britta hingegen scheint ziemlich nervös zu sein – sie weiß nicht, was sie tun sollte. Jetzt wäre das Vöglein endlich wieder da... soll sie tatenlos zusehen, wie es wieder davonfliegt...? Ja, aber was soll sie schon groß unternehmen? Sie kann doch nicht einfach zu den beiden hingehen und fragen, ob sie vielleicht eine Versicherung brauchen...? Hallo...? Meine liebe Britta, du musst dir schon etwas Besseres einfallen lassen... und das nicht erst in zwei Stunden... wenn es möglich ist – überlegt Britta konzentriert.

Ratta ratta ratta... aber nichts... keine Idee... keine Eingebung... das Vöglein wird gleich davonfliegen und sie bleibt sitzen. Punkt. Ach... so etwas Blödes aber auch... !! Sie ist einfach zu aufgeregt – es kann ihr nichts einfallen. Logisch. Sie trommelt mit ihren Fingern wild auf dem Lenkrad – nein, so wird das nichts. Gib auf. Vergiss es. Es sollte eben nicht sein... verkrampft dreht Britte den Kopf wieder zur Seite um sich irgendwie abzulenken. Sie ist so tief in Gedanken versunken, dass sie nicht mal mitbekommt, als es auf der gegenüberliegenden Fensterseite ihres Autos klopft. Das Klopfen wird lauter – plötzlich zuckt Britta zusammen – vor lauter Schreck. Sie blickt zum anderen Seitenfenster... noch gut dass sie sitzt und sich noch immer am Lenkrad festhält... sie wird von dem feschen Unbekannten angelächelt. Ach neeee... das gibt´s nicht... was ist los...? Der Mann gestikuliert etwas wild – er möchte andeuten, dass Britta das Fenster öffnen soll... ach so... ja, das Fenster... ist schon gut...
<Guten Abend... entschuldigen Sie bitte die Störung, hätten Sie vielleicht..... hätten Sie... ach.... Sie sind es...? Wir haben uns doch schon mal... ja, genau... in dieser Kneipe in der Altstadt... wir haben uns schon mal dort gesehen... oder...? > stottert auch der Unbekannte plötzlich.

Sein blick bohrte sich in ihren Augen... Achtung!... Hypnose!... Aufpassen, Britta...!! Die Welt steht plötzlich still, das Hupen hat längst aufgehört... Stille... und ein magischer Augenblick...
<Sie wissen schon... Männer... Taschenlampe, Wagenheber, Erste Hilfe Kasten, Reserverad... alles dabei, was die Welt nicht braucht... nur kein Kugelschreiber...! Ich wollte Sie kurz fragen, ob Sie so freundlich wären uns mit einem Kugelschreiber auszuhelfen damit wir unsere Daten aufschreiben können – Sie wissen schon... für die Versicherung (ob das Britta wüsste... ??!! Wer sonst, wenn nicht sie!). Ich bringe Ihnen den Stift ganz bestimmt wieder zurück!> meinte der Unbekannte mit einem schelmischen Lächeln.

Meine Güte... dieses Lächeln... und seine Stimme... Britta zittern die Knie während sie hektisch in ihrer Handtasche herumkramt um den Kugelschreiber endlich herauszufischen. Wenn er wüsste, was ich alles – was die Welt nicht braucht – in meiner Handtasche herumtrage... na ja, lassen wir das lieber...
Er bedankt sich kurz und schon ist er wieder weg – aber nur ein Paar Schritte entfernt. Britta haftet ihren Blick fest auf ihn, sie beobachtet jede seiner Bewegungen. Sie kann diesen so genannten Zufall noch immer nicht fassen. Anderseits... es musste ja so kommen... so oft und intensiv, wie sie in den letzten Wochen an ihn dachte... sie hatte ein Treffen mit ihm richtig herbeigesehnt – ob zufällig oder nicht. Nur das Ergebnis zählt. Punkt.

Ein Paar Minuten später, stand er wieder vor dem Wagenfenster um den Kugelschreiber zurückzugeben. Britta öffnete das Fenster und als er ihr den Stift überreichte, streifte er ganz leicht Brittas Hand. Es war wie ein Elektroschock! Meine Güte... wo wird das noch hinführen... stotterte Britta in Gedanken.
<Vielen Dank für den Stift – und nachdem mein Wagen, dem Himmel sei Dank, noch soweit fahrtüchtig geblieben ist, bleibt mir die Bitte erspart, ob Sie mich bis zum nächsten Taxistand mitnehmen würden... Dafür habe ich eine bessere Idee... hätten Sie Zeit mit mir irgendwo in der Nähe einen Kaffee zu trinken? Als kleines Dankeschön – sozusagen. Ich würde Sie wirklich gerne einladen. Ja, oder bekomme ich einen Korb...? Den habe ich nämlich jedes Mal in dieser Kneipe befürchtet, als ich Sie ansprechen wollte... Sie waren mit Ihrer Freundin – nehme ich an – so in ihrem Gespräch vertieft, da wäre es bestimmt unangebracht gewesen zu stören. Aber jetzt, wie ich sehe, sind Sie alleine unterwegs... >

Britta fiel der Groschen augenblicklich – es musste so kommen, dass Ulli gerade heute keine Zeit für sie hatte... und auch, dass sie ausgerechnet heute den erfolgreichen Kundentermin haben musste um sich anschließend mit einer Shoppingtour zu belohnen. Denn wäre Sie nach dem Termin gleich nach Hause gefahren, sie wäre nicht in den Stau geraten, sie hätte den Auffahrunfall direkt vor ihrer Nase verpasst... aber lassen wir das... der Rest ist Geschichte....

Natürlich fuhren die beiden in Brittas Stammkneipe – sie unterhielten sich über zwei Stunden miteinander und tauschten ihre Handynummer aus. Ob sie heute noch zusammen sind, das steht vermutlich in dem Buch des Himmels geschrieben. Was zählt ist, Britta wünschte sich sehnsüchtig den feschen Unbekannten kennen zu lernen  ––  und ihr Wunsch ging auch in Erfüllung, wenn auch unter ganz anderen Umständen, die nicht mit ihren Plänen übereinstimmten. 

Die Wunder des Lebens können so spannend sein...


Einer Frau ihren Herzenswunsch ausreden zu wollen, gleicht dem Versuch, den Niagarafall mit bloßen Händen zu stoppen.

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Copyright © Sunelly Sims

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(Foto: digitalart)
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